Thema: Wahlen 2014

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Jacqueline Muth: Kreative brauchen mehr Freiraum und neue Verbündete

2014 ist Wahljahr. Am 25. Mai werden das Europaparlament und in Dresden der Stadtrat gewählt. Am 31. August folgt die Wahl des Sächsischen Landtags. menschen-in-dresden.de stellt in loser Reihenfolge Kandidaten vor – Neulinge, Quereinsteiger, erfahrene Politiker.

Heute: Jacqueline Muth, Kandidatin für Die Linke für den Stadtrat.

Zur Person:
Jacqueline Muth, 32
geboren in Dresden
aufgewachsen in Dresden und Coswig, vor dem Studium Rückkehr nach Dresden
2008 Diplom an der Hochschule für Bildende Künste Dresden
Mitglied im Freiraum Elbtal e.V.
2011 bis 2013 Vorsitzende des Vereins Freiraum Elbtal e.V.
Platz 1 auf der Liste der Linken im Wahlkreis 2 (Äußere Neustadt, Innere Neustadt, Leipziger Vorstadt und Albertstadt)

Gegenüber vom Freiraum Elbtal-Gelände will Globus an der Leipziger Straße einen großen Einkaufsmarkt errichten. Die Investoren haben der Künstlervereinigung  Gleis 1 eine Zukunft auf dem Gelände versprochen. Ist das die Kröte, die Kreative schlucken müssen, wenn sie nach Räumen suchen?

Das ist schon eine grundlegende Frage. Die Stadt oder auch staatliche Strukturen ziehen sich immer mehr aus der Verantwortung für die Förderung von Kulturschaffenden und Künstlern zurück. Da ist es gar nicht zu vermeiden, dass neue Verbindungen und Koalitionen entstehen, damit die Künstler überleben können.

Mit den damit verbundenen Folgen – in diesem Fall – für den städtischen Einzelhandel?

Dass der Einzelhandel leidet, kann man nicht darauf zurückführen, dass die Kreativen Kooperationspartner brauchen. Das führe ich darauf zurück, dass die Stadtverwaltung und der Stadtrat für beides verantwortlich sind – für gute Rahmenbedingungen für Künstler und für eine ausgewogene Struktur im Einzelhandel.

Und wenn die Unterstützung der Stadt ausbleibt?

Ich glaube, dass Künstler und Kreative sehr hartnäckig und genügsam sein können. Wer Kultur oder Kunst schaffen will, der schafft das auch immer irgendwie. Ich will das, darum kann ich auch verzichten. Oder lasse mir etwas einfallen. Nur wird das leider zu oft ausgenutzt durch die Wirtschaft und auch durch die Stadt. Das ist dann für die ganze Szene ein Problem.

Warum sind Sie gerade so aufgeregt?

Für ein Projekt oder den Verein Freiraum Elbtal zu sprechen, war einfacher. Jetzt muss ich für mich selber sprechen – das ist sehr viel schwieriger. Darum habe ich auch großen Respekt vor den fünf Linken-Stadträten, die sich im Stadtrat bei der Globus-Abstimmung enthalten haben. Jetzt sind sie heftigen Anfeindungen ausgesetzt und ziehen den Kopf trotzdem nicht ein. Das ist eine Verlässlichkeit, die ich in der Politik für wichtig halte.

Im Stadtrat geht es um linke Realpolitik. Was wäre denn mit Blick auf die kreative Szene ein Markenzeichen dafür?

Die kreative Szene hat im Moment reale Probleme. Es geht um Raummangel, es geht um Arbeitsbedingungen, immer schwieriger werdende Absicherung. Mir ist klar geworden – und das ist auch ein Grund, warum ich in den Stadtrat will – dass die Mietenpolitik eine große Rolle spielt. Es macht wenig Sinn, über die Wertschätzung der Kunst zu diskutieren, wenn es an Existenzgrundlagen mangelt. Wir müssen Bedingungen schaffen, damit die Künstler und Kreative gern in Dresden bleiben.

Ist das Mietthema ein grundsätzliches Thema für die Stadt und den Stadtrat?

Auch wenn hier die Mieten im deutschlandweiten Vergleich noch moderat sind, ist es doch absehbar, dass uns eine Situation wie in Hamburg oder Berlin drohen kann – Ghettoisierung oder bewußter Verfall von ganzen Häusern aus Profitgründen. Das muss man als Stadt offensiver begleiten und rechtzeitig dagegen steuern.

Linke, Grüne und SPD haben unterschiedliche Ansichten zur Steuerung der Wohnungssituation in Dresden. Wie sehen Sie das?

Politik ist immer Streitkultur. Die Ansätze gehen doch alle in eine ähnliche Richtung. Das ist ein ganz normales Phänomen, dass jeder denkt, seine Idee sei die beste. Wichtig ist, dass etwas passiert. Am Ende muss man kooperieren.

Als Vorsitzende des Vereins Freiraum Elbtal haben Sie auch viel mit den Stadträten zu tun gehabt. Wird man gehört?

Egal bei welchem Thema – es ist wichtig die Beteiligung der Einwohner auszubauen. Es gibt sehr viele kluge Potentiale, die nicht genutzt werden. Da kann man auch als Stadtrat auf verschiedene Netzwerke zugehen, deren Meinung anhören und in die eigenen Entscheidung einbeziehen.

In acht Wochen wird gewählt, was planen Sie im Wahlkampf?

Zusammen mit dem ehemaligen Scheune-Geschäftsführer Magnus Hecht, der in der Neustadt für Die Linke auf Platz zwei steht, wollen wir Kultur und Politik in der Vordergrund stellen. Es gibt gerade in der Kulturszene viele Nichtwähler, Leute die einfach kapituliert haben. Wir wollen ansprechbar sein. Außerdem wollen wir die Einwohnerinnen und Einwohner mobilisieren, die zwar zur Bundestagswahl gehen, aber die Kommunalwahl nicht für so wichtig halten.

Es stimmt ja, dass Politik mitunter ein schwerfälliger Prozeß ist. Das hat aber auch seine Vorteile. Weil es eben auch Konstanz bringt und nicht so anfällig ist für kurzfristige Launen und Irritierungen. Wir wollen die Beteiligung an der Politik spürbarer machen.

Vielen Dank für das Gespräch.